Präventionsprojekt „Erinnern, Lernen, Handeln“ in Kooperation mit der JVA Bielefeld-Senne

Das Präventionsprojekt „Erinnern, Lernen, Handeln“ richtet sich an junge Straftäter, die im Offenen Vollzug der JVA Bielefeld-Senne sowohl in der Haft-Außenstelle Verl als auch in Clarholz inhaftiert sind.
Ziel des Projekts ist es, die Teilnehmenden zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Themen Rassismus, Nationalsozialismus und interreligiösem Dialog zu motivieren und durch diese Reflexion präventive Impulse für ein respektvolles und verantwortungsbewusstes Handeln zu setzen.
Im Zeitraum von ca. zwei Wochen nehmen die Inhaftierten an verschiedenen Workshops, Exkursionen und Gesprächen teil, die ihnen neue Perspektiven eröffnen und ihre Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen fördern.
Das Projekt beginnt mit einem gemeinsamen Willkommensgespräch in der Außenstelle Verl. Hier werden die Teilnehmenden in das Programm eingeführt und erste Erwartungen sowie Ziele der gemeinsamen Arbeit besprochen. Anschließend findet ein gemeinsames Kochevent in einer Großküche statt. In lockerer Atmosphäre können die Teilnehmer sich untereinander besser kennenlernen und den Projektverantwortlichen Fragen zum bevorstehenden Programm stellen. Das Programm beinhaltet in den zwei Wochen folgende Punkte, die je nach organisatorischer Möglichkeit in ihrer Reihenfolge leicht variieren können:
- Anti-Rassismus-Workshop: Der Workshop bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, sich mit den verschiedenen Facetten von Rassismus auseinanderzusetzen und Handlungsmöglichkeiten gegen Diskriminierung zu erarbeiten. Nach einem vertieften Kennenlernen werden verschiedene Diskriminierungsformen besprochen und an bestehendes Wissen und Erfahrungen angeknüpft. Die Diskussionen sind meist sehr lebendig und die Teilnehmer sehr engagiert. Zum Ende des Workshops werden in Rollenspielen verschiedene Möglichkeiten der Reaktion auf rassistische Situationen im Alltag erprobt.
- Besuch einer KZ-Gedenkstätte: An einem Tag findet ein Studientag entweder in der Gedenkstätte Bergen-Belsen oder auf der Wewelsburg statt. Von 10:30 bis 16:30 Uhr erhalten die Teilnehmenden eine geführte Tour durch das ehemalige Konzentrationslager oder die Burg und beschäftigten sich intensiv mit den historischen Aspekten der NS-Verbrechen. Der Tag endet mit einer Diskussion und Reflexion zu den erlebten Eindrücken.
- Besuch der Gotteshäuser: Ein weiterer Programmpunkt ist eine interreligiöse Exkursion, bei der die Teilnehmenden eine Moschee, eine evangelische Kirche und eine Synagoge in Gütersloh und Bielefeld besuchen und die Gelegenheit haben, die religiösen Gebäude kennenzulernen und im Austausch mit Vertreter:innen der jeweiligen Religionsgemeinschaften mehr über deren Glauben und Praktiken zu erfahren.
- Interreligiöser Dialog: Die Teilnehmenden sollen die Möglichkeit haben, mit einem Imam, einer Rabbinerin und einem Pfarrer in einem offenen Gespräch über ihre religiösen Erfahrungen und die Bedeutung des Glaubens im Alltag zu sprechen. Diese Begegnung fördert das gegenseitige Verständnis und den Dialog zwischen den verschiedenen religiösen Traditionen.
- Biographische Auseinandersetzung: Ein weiterer fester Bestandteil ist ein Besuch der Teilnehmer im Stadtarchiv Bielefeld. Dort erarbeiten sie anhand historischer Dokumente und Materialien Biographien von Menschen, die in Bielefeld Opfer des Nationalsozialismus geworden sind.
- Erinnern durch Stolpersteine: Die Teilnehmenden nehmen an einem Stolpersteinrundgang teil, in dessen Rahmen sie diese reinigen. Das Reinigen ist oft ein sehr eindrückliches Erlebnis, welches zunächst nur zögerlich und dann aber mit zunehmendem Ehrgeiz durchgeführt wird. Die Teilnehmer stellen erfahrungsgemäß viele Fragen und sind sehr bewegt von der Einsicht, dass die Häuser, an denen sie im Alltag vorbeikommen, Orte der Gewalt und Vertreibung waren.
- Drei Tage sind (verteilt auf die zwei Wochen) für schulische Unterrichtseinheiten in der Außenstelle Verl reserviert. Ein Lehrer bereitet die Teilnehmenden am ersten Tag inhaltlich auf die bevorstehenden Exkursionen vor, um den Inhaftierten ein besseres Verständnis für die Bedeutung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen zu vermitteln. Am zweiten Tag werden die Teilnehmenden in die Themen interreligiöser Dialog und Erinnerungskultur eingeführt und setzen sich mit praktischen Beispielen auseinander, wie Religion und Geschichte das gesellschaftliche Leben beeinflussen. Zum Ende des Projekts werden am dritten Tag die Themen der vergangenen Tage zusammengeführt und die Abschlussveranstaltung vorbereitet. Dafür entwerfen die Teilnehmer Poster zu den unterschiedlichen Teilschwerpunkten, nutzen Fotos, die während der Exkursionen gemacht wurden, und schreiben eigene Erklärtexte.
Das Projekt endet mit einer Abschlussveranstaltung in der Außenstelle Verl. In dieser Veranstaltung werden die erarbeiteten Poster vorgestellt, die Erfahrungen und Erkenntnisse der Teilnehmenden zusammengetragen und gemeinsam evaluiert.
Das Projekt „Erinnern, Lernen, Handeln“ bietet den Teilnehmenden eine wertvolle Möglichkeit, sich mit wichtigen gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen und eigene Perspektiven zu erweitern. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, der interreligiöse Dialog und die Förderung von Respekt und Toleranz leisten einen wichtigen Beitrag dazu.
Das Projekt wird durch den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.